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Kunstrasen

ein visionäres Kunstprojekt von
Julian Hagen und Tobias Wagner

„Neue Grenzen zu definieren heißt alte Grenzen zu überschreiten“


Die Symbiose der Geister
Ein Bericht von Tobias Wagner
Scheinbar ziellos ranken sich die grün-rot-blau-gelb-gefärbten Luftschlangen um das etwa 6x8 cm messende Mitteloval, mit einem gewöhnlichen Klebestift an der Oberseite einer Schwarzweiß-Kopie eines Hemdes des Künstlers festgeklebt.
Was selbst dem kunstinteressierten und -erfahrenen Charakter im ersten Moment vielleicht wie ein simples, ja fast schon banal anmutendes Wirrwarr jeglichen Sinnes entbehrender Willkür vorkommen mag, ist in Wahrheit an Genialität schwerlich zu übertreffen.
Es ist die Rede von dem neuen Meisterwerk des modernen Künstlers Julian Hagen, zum Zeitpunkt der Kreation gerade einmal 16, nunmehr 18 Jahre alt. Es ist derselbe Julian Hagen, der seinen ihm eigenen, ja intuitiven Spürsinn für den erweiterten Kunstbegriff bereits vor Längerem durch die Präsentation zweier Installationen („Tafel - die Macht der Veränderung“ und „la lumière“) unter Beweis gestellt hatte.
„Kunstrasen“, eine dreidimensionale Collage, stellt aber alles bisher Dagewesene in den Schatten. Vielleicht ist es gerade der bis dato in dieser Form nie existente Gegensatz bestehend aus der scheinbaren Simplizität der Innovation und dem um so tiefsinnigeren und immens den Blickwinkel erweiternden Hintergrund derselbigen, der ihre Extravaganz und vor allem die des Artificiums ausmacht.

„Während frühere, eher konventionell ausgerichtete Künstler, zu denen auch ich bis vor kurzem zählte, zuerst Bedeutung und Absicht, also was sie mit ihrem Kunstwerk ausdrücken wollten, festlegten, und dann ein entsprechendes Monument entwarfen, fertige ich zuerst etwas absolut Skurriles und Realitätsfremdes an, in seiner Gesamtheit geprägt durch meine gänzlich eingeflossenen unterbewusst auszudrückenden Vorstellungen - und damit unbeeinflusst von jeglichen durch die Welt des Bewussten von Natur aus gegebenen Zwängen und gesellschaftlichen Ansprüchen, wie sie die freien Künstler vor mir in mancher Hinsicht unfrei machten - und lasse dann in die Kreation meines Werkes ebendiese unterbewusst eingeflossenen Gedanken, Intentionen und Ideen, die dadurch in ihrem gesamten Wesen durch und durch ehrlichst sind, von einem namhaften Kunstkritiker herauslesen bzw. -interpretieren, in diesem Fall durch meinen langjährigen und in Kunstfragen wohl unübertroffen kompetenten Freund und Kollegen Tobias Wagner. Ihm gilt an dieser Stelle ganz besonderer Dank“, so der Kunstpionier.

Ein entscheidendes Faktum zu dieser Koproduktion stellt hierbei die Tatsache dar, dass das Projekt „Kunstrasen“ als solches nicht etwa zufälligen und weitgehend unbestimmten Urspungs ist, sondern viel mehr als Werk und Schöpfung eines profilierten Künstlers, wie Julian Hagen beileibe einer ist, begriffen werden muss.
Folglich wäre ein Denken, welches sich nun meinte anmaßen zu können, vollkommen zufällige Ereignisse etwa der Natur, wie beispielswiese das äußere Erscheinungsbild eines Tannenzapfens oder eines Kieselsteins hinsichtlich tiefgreifender Themen, wie ich sie im Späteren anreißen werde, interpretieren zu können, komplett verfehlt.
Denn die Kunst in ihrem kompletten Wesen definiert sich als solche nicht etwa aus sich heraus, wie man mit Blick auf die prämodernen Formen ihrer langjährigen Entfaltungsgeschichte vielleicht meinen könnte, sondern allein dadurch, dass die schaffende Kraft, die sie kreierte, das heißt der Künstler (bzw. in diesem konkreten Fall Julian Hagen) und auch die Kunstkritik als solche (repräsentiert durch meine Person) sie dazu erklärt. [„Kunst ist, was moderne Künstler machen.“, Dokumenta 3]
Die Vorteile der neuen Methode liegen auf der Hand: Der fortschrittliche Künstler muss sich nun nicht mehr den engen Schranken der bedeutungsintensiven und -fordernden Kunst unterwerfen, sondern kann die ihm gegebene künstlerische Kreativität in seinen Werken völlig losgelöst von jeglichen Zwängen ausleben und so deutlich ausdrucksstärkere, unverfälschtere, ja ehrliche Werke verwirklichen. Der so entstandene künstlerische Ausdruck ist somit um ein vielfaches direkter, ja gnadenloser als es bei herkömmlichen Artificia der Fall war. „Bisher konnte man Kunst als bildlich-sinnlich erfassbaren Ausdruck des Geistigen definieren. Die jetzige Koproduktion T. Wagners und meiner selbst ist quasi als sprachlich-sinnlich/geistiger Ausdruck eines Geistigen, das durch unbewusst Geistiges im scheinbar zufällig Sinnlichem angeregt wurde, anzusehen.“ präzisiert Julian Hagen ansatzweise die Dimensionen der von ihm geschaffenen Bewegung.
Die Zukunft wird zeigen, inwieweit „Kunstrasen“ die Nachfolgegenerationen freischaffender Künstler prägt und den erweiterten Kunstbegriff neu definiert.
Im zweiten Teil meiner Abhandlung komme nun ich zur eigentlichen Interpretation der Collage und werde versuchen, mit meiner Deutung, die einen eminent gewichtigen Teil seiner Gesamt- bzw. unserer Koproduktion darstellt, an das hohe künstlerische Niveau eines Julian Hagen anzuknüpfen.
Schlussendlich kann der der schöpferische Akt in der Kunst nämlich nur dadurch vollendet werden, dass ich aus dem scheinbar Zufälligen, in Wirklichkeit jedoch unbewusst Wahrem die echte und letzte Intention des Künstlers herauszulesen und auszudrücken vermag.

---Tobias Wagner mit Julian Hagen---


Die Gesellschaft vor der Leugnung ihrer melioris naturae?
Eine Interpretation von Tobias Wagner
Der nur oberflächliche Contemplateur der Collage „Kunstrasen“ könnte nun voreilig schlussfolgern, dass neben solch bahnbrechendem Exempel kreativer, schaffender Kunst in Bezug auf Gravitas und Signifikanz, das ich in meinem Bericht zu verdeutlichen versuchte, kein Platz mehr sei für inhaltliche Expressionen, die nach höherem streben als dem bisher Dagewesenen. Doch weit gefehlt! Denn auch im inhaltlichen Bereich wartet die Collage Julian Hagens mit Innovationen auf, wenngleich sie für den durchschnittlichen Betrachter, welcher sich nicht wie ich tagtäglich mit den diversen Problematiken der modernen Kunstinterpretation konfrontiert sieht, auf den ersten Blick wohl etwas schwer, ja vielleicht sogar unmöglich zu erkennen sind.
Im Gegensatz zu früheren Künstlern nämlich, die in ihrem Kunstwerk in aller Regel direkt ihre Meinung zum Ausdruck brachten, also quasi Fragen beantworteten oder diese doch zumindest konkret formulierten, ließ Julian Hagen bei der Kreation seines Artificium sämtliche expliziten Antworten und Thesen offen, deroselbige werden nun durch mich hineininterpretiert. Während also vergangene Künstler ihre Meinung bzw. ihre subjektive Sicht der Wirklichkeit, welche gerade in zu stellende Fragen kaum besser zur Geltung gebracht werden könnte, pauschalisierten und für die breite Masse der Bevölkerung gültig machen wollten, weitet Julian Hagen den Blickwinkel durch die Einbeziehung eines weiteren eigenständigen Charakters, nämlich die meiner Person, und stellt somit das Objektivieren der eigenenen Position über das hemmungslose Verbreiten und Progagieren der subjektiven Sicht der Dinge, wie sie so viele Künstler in der Vergangenheit meinten für wahr deklarieren zu können.
Welch progressive, ja humanistische Innovation!
Obgleich es nicht leicht ist, lediglich auf Grundlage eines solch vielschichtigen Gebildes auf wirklich konkrete Aussagen zu schließen, habe ich mich an diesen Drahtseilakt zwischen der Tiefsinnigkeit des Kunstwerkes nicht gerecht werdend auf der einen und selbstherrlich, realitätsfremd und überinterpretierend schwafelnd auf der anderen Seite herangewagt und - mit Verlaub - recht gut bewerkstelligt. Nichts läge mir ferner als letzteres, wie dem aufmerksamen Leser meiner bisherigen Ausführungen zweifelsohne nicht entgangen ist.
Nun aber zu der konkreten Interpretation, die ich als renommierter Kunstkritiker aus den auf eine Fotokopie eines seiner Hemden geklebten Luftschlangen herauszuarbeiten vermochte.
Auf den ersten Blick - so denke ich - wird der gesellschaftskritische und -aufklärerische Aspekt, den „Kunstrasen“ im Gesamten verkörpert, überdeutlich.
Im Zuge sowohl der momentanen als auch der in der Vergangenheit gehäuft zu Tage getretenen Entwicklungen sieht sich unsere Gesellschaft mehr und mehr mit Fragen konfrontiert, die nicht etwa - wie so vieles in der Schule vermittelte Wissen - pseudo-allgemeinbildender bzw. durch und durch oberflächlicher Natur sind, sondern im Gesamten als essentiell und den Menschen direkt und im Tiefsten betreffend zu begreifen sind.
Julian Hagen wendet sich mit seinem Artificium gegen den momentanen Umgang der heutigen Welt mit diesen Problematiken.
Zunächst einmal kommt die äußere Unausgeglichenheit und scheinbare Nicht-Zusammengehörigkeit der einzelnen Komponenten, welche sich dem Betrachter beim ersten Anblick der Collage darbieten, nicht von ungefähr, reflektieren sie doch vielmehr die unüberschaubar anmutende Fülle an verworrenen, meist kurzsichtig-desinteressierten Antworten, die die heutige Welt auf ebenderoselbige Fragen aufgrund mangelnder Kompetenz und reichlich vorhandenem Indifferentismus zu respondieren gezwungen ist.
Hierbei habe ich keine speziellen bzw. konkreten Fragestellungen im Sinn - ich würde dem eigenständigen Individuum bzw. seinen subjektiven Empfindungen der Wirklichkeit nicht ansatzweise ausreichend Rechnung tragen -, nein, vielmehr denke ich an generelle und doch zugleich individuelle Problematiken, die sich sowohl auf der Ebene des Einzelnen als auch auf der der Gesellschaft immer wieder zeigen und sich wohl kaum zu konkreten Thesen bzw. Antithesen pauschlisieren bzw. minimieren ließen.
Die oben angesprochenen negativen Praktiken der heutigen Menschheit in Bezug auf die Wahrheitsfindung essentieller Problematiken spiegelt auch die bewusst in schwarzweiß gehaltene Kopie des Hemdes wieder; sie steht für den einfachen Bürger der Masse, der oberflächlich, den Blick nur auf die Problematik der eigenen Existenz gerichtet und stets auf den persönlichen Vorteil bedacht, durchs Leben geht.
Ähnlich einem Tier lehnt er es ab, seinen Horizont dahingehend zu erweitern, einen Blick über den Tellerrand des eigenen Daseins zu werfen und die Objektivierung des persönlichen Standpunktes zu erstreben.
Als nächsten Aspekt möchte ich den schon primo aspectu ins Auge stechenden Kontrast aus schwarzweiß-gefärbtem Hinter- und buntem, den Blick auf sich ziehenden Vordergrund nennen, der ein maßgebliches, ja zentrales Moment von „Kunstrasen“ ausmacht. Er wirkt wie ein verzweifelter Aufschrei des Künstlers, ein Aufbäumen gegen den alles beherrschenden Indifferentismus. Wir sollen eben nicht gleichgültig sein, sondern vielmehr die Welt die uns umgibt, mit kritischen Denkansätzen wieder und wieder hinterfragen. Hier wird die innere Zerrissenheit des Julian Hagen reflektiert, der die Missstände seiner Mitmenschen erkennt und doch nichtsweiter tun kann, als seiner Verzweiflung unterbewusst in seiner kreativen Schaffenskraft Ausdruck zu verleihen.
Wie kann ein Laie solch innere Dilemmata eines schaffenden Geistes auch nur in Ansätzen nachvollziehen?
Dennoch sieht der Künstler lumière und ombre; selbiges zeigt die scheinbar wirre Farbgebung der Luftschlangen: Obwohl tristes Gelb und Kontrastarmut vorzuherrschen scheinen, sind doch die teils strahlend wirkenden, wenn auch unverkennbar mit einem blassen Teint behafteten, freundlicheren Farbschattierungen in blau, rot und grün erkennbar. Sie verheißen Hoffnung und sind doch untrennbar mit ihrer anderen Seite, ihrem Alter Ego, nämlich dem des förmlich resignierenden Gelb verbunden. Sie stimmen positiv und doch wird im Vorgang dieses Erkennens ihre paradoxe und ambivalente Natur augenscheinlich: Kein Licht ist ohne Schatten, keine Freude ohne Trauer, keine Glückseligkeit ohne Sorge.
Ich denke, in diesem simpel anmutenden Detail der zwei Partes der einzelnen Luftschlangenstränge verbirgt sich die eigentliche Kernaussage „Kunstrasens“: Vielleicht gehören Indifferenz, Oberflächlichkeit und Opportunismus zum Menschen als solchen wie die Endlichkeit die Möglichkeit des Nicht-Seins impliziert. Aber es gibt auch eine andere Seite, die Seite des Interesses, der eigenen gefestigten - und dennoch nicht unanfechtbaren - Position und des philosophischen Reflektierens. Sie existiert, doch sie wird von großen Teilen unserer Gesellschaft geleugnet, versteckt und erscheint - wenn sie doch zu Tage tritt - in blassem, ja machmal unglaubwürdigen Licht.
Dies gilt es zu ändern.
Und einen Julian Hagen, der sich genau dafür einsetzt, noch dazu in solch bahnbrechend innovativer, selbstloser, durchschlagender und schlichtweg genialer Weise, kann man der Welt nur wünschen.

---Tobias Wagner---